Freitag, 13. November 2015

Indonesien 9 - Flores: Eine kleine Zeitreise

Nach unserem Ausflug in den Komodo National Park beschließen wir, dass wir das Unesco geschütze Dorf Wae Rebo in den Bergen von Flores besuchen wollen. Dazu müssen wir erstmal nach Ruteng fahren. Im Bus dorthin laufen die Scorpions mit "Wind of Change" und wir lachen uns heimlich tot. Dieser Moment hat wirklich Magie! 

Take me to the magic of the moment 
on a glory night
where the children of tomorrow dream away
in the wind of change.

Die Musik schaltet zu Abbas "Dancing Queen" um, gerade als wir an ein paar Jungs vorbei fahren, die sich mit kleinen Kübeln duschen. Auf den Wahlplakaten am Straßenrand wirbt der mit ausgeprägtem Schnurrbart ausgestattete lokale Politiker "Yosef"  für seinen Wahlkreis. Hier - mitten im  nichts - ist ein Canon-Laden. Mittlerweile läuft im Radio amerikanische Countrymusik. Verrückte Welt!
Wenig später sitzen wir mal wieder auf einem Moped, diesmal in Richtung Wae Rebo. Von Ruteng ist das knapp 50 Kilometer entfernt, man sagt uns die Fahrt dauere mindestens 3 Stunden und ich - in meiner westlichen Naivität - kann das einfach nicht glauben. Das muss doch schneller gehen! Wir fahren durch wunderschöne, riesengroße Täler voller Reisplantagen und kleiner Dörfer. Heerscharen von am Straßenrand spielenden Kindern jubeln und winken uns zu oder stehen Spalier um im Vorbeifahren in unsere Hände einzuschlagen. Jeder Bauer, jede Wäscherin, jedes Mädchen und jeder Junge begrüßen uns, viele rennen hinter unserem Moped her. Manche Frauen schreien grell lachend auf und schlagen sich auf die Schenkel, nach dem Motto "Meine Güte ist das verrückt, zwei Ausländer auf einem Moped, hier bei uns". Und so fahren wir freudig durch die die traumhafte Landschaft aus nebligen Bergen, sonnenbeschienenen Dörfern und auf dem Feld arbeitenden Bauern.
Die Straße ist dafür weniger traumhaft, mehr Loch als Straße. Slalomfahren ist eine Untertreibung sonder gleichen für das was wir hier machen. Für die Fahrt müsste Timo danach einen extra Straßenlochumfahr-Führerschein ausgehändigt bekommen, denn das ist eine echte Prüfung seiner Mopedfahrfähigkeiten. Dreieinhalb Stunden später sind wir immer noch nicht in Dengge, dem Dorf von dem aus wir nach Wae Rebo wandern wollen. Denn nach Wae Rebo  führt keine Straße, sondern nur ein schmaler, etwa 8 Kilometer langer Weg bergauf durch einen dichten Wald. Zu spät kommen wir aber in Dengge an - die Zeit wird nicht mehr reichen um vor Einbruch der Dunkelheit im Dorf zu sein und im Dunkeln wollen wir ungern alleine in diesem fast unbewohnten Wald herumstiefeln. Wir entschließen uns daher in der Wae Rebo Lodge im Weiler Dintor kurz vor Denge zu übernachten. Süße Bungalows thronen am Anfang eines Hanges, von dem man über friedliche, sattgrüne Reisfelder schaut. Der Blick von der Terrasse reicht bis zum Meer und sogar bis zu den Bergen auf der nächsten Insel. Es ist hier unendlich friedlich. Die Zimmer sind zwar sehr sehr einfach (Plumpsklo, keine Dusche, nur abends ein paar Stunden Strom) aber sauber und wir fühlen uns hier wohl. Entspannt beobachten wir von unserem Sitzplatz vor dem Bungalow aus einen Hahnenkampf im Hof nebenan und  gehen friedlich schlafen.


Am nächsten Morgen um fünf Uhr in der Wae Rebo Lodge:
"Timo?" - "Ja."
"Kannst du mal bitte die Tiere ausschalten?"
Dutzende Hähne, hunderte Grillen, mehrere Vögel, ein paar Kühe, einige Schweine und das Geräusch eines uns unbekannten Tieres (vielleicht ein Gecko??) erlauben es uns nicht, weiter zu schlafen. Aufstehen lohnt sich auch nicht, denn draußen ist es noch dunkel und es gibt hier ja keinen Strom. Im Dunkeln Duschen ist auch doof. Ginge aber auch eh nicht, es gibt ja keine Dusche. Also bleiben wir liegen und bereiten uns auf unsere nächste Harikiri Aktion vor: Da wir es am Vortag nicht mehr bis nach Wae Rebo geschafft haben, wir aber in einigen Tagen einen Flug von Ende am anderen Ende (Haha) der Insel haben, müssen wir heute erst in einem Affenzahn 8 Km den Berg hoch laufen (unsere Zeit: 2:15 h), uns schnell oben umschauen, den Berg wieder runter rennen (2 Stunden) und dann zurück nach Ruteng fahren, bevor es um 18 Uhr dunkel wird. Eine Übernachtung in Wae Rebo kommt für uns daher anders als geplant leider nicht mehr in Frage. Aber wer konnte schon ahnen, dass man tatsächlich 4 Stunden für 50 Kilometer brauchen kann? 
Der Berg ist extrem steil und etwa die ersten 3 Kilometer bestehen aus groben Steinen, die das laufen nicht eben erleichtern. Sobald wir im Wald sind ist es, als wären wir durch die geheime Tür nach Narnia gelangt. Der kleine Waldweg zum Dort ist dicht gesäumt von unbekannten Bäumen und riesigen Bambussträuchern. Über uns in den Baumwipfeln tümmeln sich zahlreiche Vögel, Affen und andere Tiere - wir hören sie nur, zu sehen bekommen wir keines. Ein lustiger Vogel macht immer wieder dieselben Computergeräusche. Es würde uns nicht wundern, wenn wir um die Ecke kämen und plötzlich ein alter Desktop-PC mit Lautsprechern mitten auf dem Weg stünde. Am Wegesrand sehen wir immer wieder größere Haufen von etwas das aussieht wie meterdicke Bündel ewiglanger, dunkler Tierhaare und wir fragen uns, was für Tiere hier in den Bäumen rumspringen, die solche langen Haare haben. Ab sofort schauen wir uns etwas wachsamer um. Und plötzlich teilen sich die Baumwipfel und der Blick auf Wae Rebo ist frei gegeben: Zylindrige Hütten erheben sich auf einer kleinen Lichtung aus dem Nebel, umgeben von nichts außer Wald und Bergen. Der Anblick ist fremd und wunderschön.
Im Dorf angekommen nehmen wir zuerst an der Begrüßungszeremonie teil. Die Bewohner des traditionellen Ngada Dorfes glauben, dass auch ihre Vorfahren immer noch mit ihnen im Dorf wohnen. Die christliche Missionierung hat sich da scheinbar nur in Vornamen niedergeschlagen - die Wae Reboer haben ausnahmslos   christliche Vornamen wie Maria, Benjamin und Josef. Um sie durch unsere Anwesenheit nicht zu verärgern, geben wir, wie uns das aufgetragen wurde, der Frau vom "Häuptling" (dem Dorfältesten), die ich insgeheim Gutemine nenne, die aber eigentlich Katharina heißt, etwas Geld für die Geister. Sie stellt uns den Geistern vor und erläutert was die Besucher - also wir - im Dorf so vorhaben. Offensichtlich haben wir vor, was alle hier machen, denn sie trifft mit ihrer Ankündigung den Nagel auf den Kopf:  Wir wollen Kaffee trinken, essen, rumlaufen und fotografieren. Anschließend bittet sie die Geister darum, sich durch uns nicht stören zu lassen. Na das ist zweifellos in unserem Interesse. Wir nicken wiederholt freundlich und ich fühle mich ein bisschen wie betäubt. Irgendwie ein irres Gefühl in dieser Hütte zu sitzen, in der eine alte runzlige Frau todernst mit den Geistern spricht, als wär da absolut nichts dabei. Wir sprechen nur leise um die Geister nicht zu ärgern und bewegen uns vorsichtig durchs Dorf. Die runden, spitzen Hütten, die ohne einen Nagel zusammen gehalten werden und nur aus Bambus und Palmblättern bestehen, sehen aus wie aus einem Dokumentarfilm.
Die Bündel von "Haaren", über die wir uns auf dem Weg hoch gewundert haben, sind die Palmblätter, die für die Dächer benutzt werden.  Ich bin ein bisschen erleichtert, dass es hier nicht so viele Tiere mit derart langen Haaren gibt, auch wenn ich mir wirklich nicht erklären kann, wie aus Blättern solche haarartigen langen Fäden werden. In der Wohnhütte für Besucher sind innen entlang des Daches Bastmatten ausgelegt. Auf diesen schläft man, wenn man hier übernachtet. Erschöpft lassen wir uns auf die Matten sinken und es wird uns selbst hergestellter Kaffee angeboten. Aber die Bastmatten sind überraschend bequem und Timo schläft sofort ein. In der Zwischenzeit lerne ich eine supernette Singapurianische Familie kennen, die ausweislich der Berichte des Vaters ungefähr alles an der einen Nacht in Wae Rebo - die Ruhe, das Duschwasser, den Kaffee -  "quite something" fanden, wie uns der indischstämmige Vater begeistert erklärt. Wie den Geistern angekündigt schießen wir jede Menge Fotos und machen ein paar kurze Videos.
Das die meisten Menschen, die hier rumsitzen, nicht wirklich in diesem Dorf wohnen, sondern frühmorgens den weiten Weg auf den Berg steigen stört uns nicht. Die alten Frauen mit den runzligen, zahnlosen und vom Betelnuss kauen roten Mündern wohnen ganz offensichtlich noch hier. Sie sind nicht so begeistert über die Touristen, auch das ist offensichtlich. Sie gehen einfach Ihren Tagesgeschäften nach, trocknen auf ausgebreiteten Tüchern Kaffee  in der Sonne oder waschen Wäsche. Die Kinder spielen Fangen, ein Junge heißt "Selfie" was mich sehr amüsiert. Ich kann nicht umhin zu denken, dass diese Kinder wohl eine glücklichere, ungestörtere Kindheit haben als viele westliche Kinder heutzutage. Aber zu Hause würde man sagen: "Aber sie haben doch keine Möglichkeiten dort, keine Schule, keine Perspektive". Aber wofür braucht man Perspektive wenn man schon glücklich ist? Vermutlich nur deshalb weil die Modernisierung nirgendwo halt machen wird - auch nicht vor Wae Rebo, UNESCO hin oder her - und diese Ruhe nicht für die Ewigkeit bestimmt ist, vermutlich nur deshalb müssen auch diese Kinder die Bildung, die wir kennen, erhalten. Wohl deshalb gehen auch sie unten im Dorf in die Schule.
 Auf dem Weg runter nach Dengge ist auf dem Berg ganz schön viel Verkehr. Kleine Jungs mit Schulrucksäcken auf dem Rücken oder Säcken Reis auf dem Kopf strömen in Scharen in schnellen Schrittes den Berg hoch. Die Kinder sind fit! Hier hat keiner Gewichtsprobleme. Die Mädchen tragen an den Füßen zusammen gebundene lebende Hühner Kopf über den Berg hoch, manche Jungs tragen Messer, die fast größer sind als sie selbst - weiß Gott wozu. Die Kinder freuen sich uns zu sehen und so gehen wir beschwingt mal durch Nebel mal im Sonnenschein durch den Wald den Weg herunter. 
Auf der Fahrt zurück nach Ruteng müssen wir uns beeilen. Wir fahren so schnell wir können (oft sind das nur 15 km/h) den Berg hinauf, durch die Dörfer voller Volleyball spielender Frauen, Fußball spielender Jungs, vorbei an Feldarbeit und spielenden Kindern, durch die Reisfelder und vorbei an Wasserbüffeln, Hunden und Katzen und unzähligen Hühnern. Genau mit Einbruch der Dunkelheit kommen wir mit schmerzenden Rücken und Ärschen endlich in Ruteng an. Was für ein Trip! Es war anstrengend - aber eines unserer besten Erlebnisse auf unserer Reise bisher!! 

Unterkunft: Kongreasi Santa Maria
Moped Verleih: Hotel Rumi
Route: Ruteng - Iteng (ausgeschildert) - Dintor (Wae Rebo Lodge) - Denge (Homestay Mr. Blasius) - Zu Fuß nach Wae Rebo (ausgeschildert) mindestens 2,5 h ein Weg (8 Km)

http://wikitravel.org/de/Wae_Rebo#Anreise

Mittwoch, 23. September 2015

Indonesien 8 - Komodo/ Flores: Ein Unterwassermärchen

Völlig gerädert steigen wir auf die riesige Personen- und Autofähre von Sape nach Labuan Bajo auf der Insel Flores. Eigentlich wollten wir auf den Komodo Inseln übernachten, doch das ist leider nicht möglich - jetzt werden wir erstmal an ihnen vorbei fahren. Von Sape aus gibt es sowieso keine Touristentouren zu den Komodo Inseln. Wir wollen aber unbedingt dorthin, um dort auf Komodo oder Rinca die Komodo Dragons zu sehen - die Komodowarane, bei den Einheimischen bekannt als die Komodo Drachen (oder einfach nur "dragons" (Drachen)).
Auf der 8-stündigen Überfahrt suchen wir uns jeder eine Holzbank mit Blick aufs Meer und dösen schnell ein. 


Im Schlaf passieren wir wieder eine Religionsgrenze: Flores hat etwa eine Million Einwohner, von denen 90 % katholisch sind. Die Portugiesen haben hier mal wieder ganze missionarische Arbeit geleistet. ;) Von den Portugiesen stammt auch der Name "Flores" - "Blumen", obwohl die Insel nicht blumiger ist als andere und keiner weiß, warum die Portugiesen ausgerechnet diese Insel so genannt haben. Vielleicht sind Ihnen einfach die kreativen Namen ausgegangen? Wie wir so an den Komodos vorbeischippern finde ich es immer noch unglaublich, dass klitzekleine Länder wie Holland und Portugal vor hunderten von Jahren bis in diese hinteren Ecken der Welt vorgedrungen sind und diese dann auch noch kolonialisiert haben!

Irgendwann können auch wir nicht mehr auf den harten Holzbänken schlafen und es folgt eine Fotosession mit diversen indonesischen Mitreisenden. Einer davon ist ein junger Student. Er studiert in Magelang auf der Insel Java, und ist seit 24 Stunden ununterbrochen mit Bussen und Fähre unterwegs, um seine Familie in Labuan Bajo zu besuchen. Und er ist bestens gelaunt. Sofort fühle ich mich schlecht, weil ich total fertig bin, obwohl wir noch nichtmal acht Stunden unterwegs sind. Verweichlichte Westler, aber Hallo! Die restliche Fahrt diskutieren wir angeregt mit einem Anwalt und einem Polizisten über Korruption. Angeblich seien nur die dicken Politiker und die großen Polizeichefs korrupt - nicht die kleinen Straßenpolizisten...naja, wer's glaubt! ;D Jedenfalls passt das nicht mit unseren Beobachtungen zusammen: Zum Beispiel steht vor der Polizeistation in Bima "zufällig" ein Geldautomat.
Ankunft in Labuan Bajo
Nachdem unsere Fähre kurz vor Labuan Bajo ihren Müll vor den Toren des Nationalparks Komodo ins Meer entlässt und sie dann in Labuan Bajo erst falschrum eingeparkt hat (wie das passieren konnte ist mir ein Rätsel) und das Wendemanöver eine gute Stunde gedauert hat, dürfen wir endlich von der Fähre und sind auf der Insel Flores. Flores ist angeblich "the next big thing" - nach Bali und Lombok soll dies hier die nächste Tourihochburg werden. Hotels sind leider deutlich teurer als bisher, nur für Taucher gibts unverschämt günstige Optionen. Wir suchen uns ein nettes kleines Hotel mit Blick auf den Hafen und einem hängenden Bett und schlafen seelig und völlig erschöpft ein.


Am nächsten Morgen machen wir uns auf die Suche nach einem Anbieter für eine Komodowarane-Besuchs-Tour. Ich habe drei Bedingungen: Ich will die Komodowarane sehen, rosa Strand und die Flughunde. Die Flughunde fressen die Früchte in den Mangroven und fliegen dann zum Sonnenuntergang alle weg, das soll ein großartiges Spektakel sein. Außerdem finde ich Flughunde niedlich. Wir favorisieren zunächst die indonesischen Anbieter - zum einem aus Prinzip, zum anderen weil die deutlich günstiger sind. Aber für die Komodowarane muss man mindestens eine Nacht auf dem Boot verbringen, denn wir müssen gut fünf Stunden in die Richtung zurückfahren, aus der wir gestern kamen. Und die Strömungen rund um die Komodo-Inseln sind sehr gefährlich - tückisch, stark und unvorhersehbar. Angeblich gehören Sie mit zu den gefährlichsten Strömungen der Welt. Daher haben wir auch Ansprüche an die Sicherheit der kleinen Kähne, mit denen wir dort rumschippern sollen. Ein Funkgerät hat schonmal keines der Boote. Rettungswesten sind immerhin bei den meisten vorhanden. Aber als einer der Organisatoren auf meine Frage, ob sie Rettungsboote haben antwortet "Whats a life boat?" wird uns klar, das wir uns auf so einem abgefuckten Boot nicht wohlfühlen werden. Und so wird es dann doch die Luxusvariante mit einem deutschen Anbieter auf einem Taucherboot mit Sternekoch und richtigen Kabinen. Und wir bleiben auch gleich drei Tage drauf. Man verspricht uns, dass sie für uns Schnorchler aka Nichttaucher alles erdenkliche getan wird, damit wir auch auf unsere Kosten kommen und am nächsten Morgen gehts los. Vor uns liegen drei Tage voller gruseliger Urzeittiere, knallbunter Fische, Mangrovenhaine und unbewohnter Inseln.

Noch bevor wir Rinca erreichen, wo die furchterregenden Komodo Warane leben, gehts das erste Mal ins Wasser. Die erste Taucheinweisung am Vormittag auf unserer Liveaboard ist sehr unterhaltsam. Wir fühlen uns ein bisschen wie Außenseiter - sind wir ja auch, alle anderen auf dem Schiff sind zum Tauchen hier. Der Tauchmaster Dom (ich nennen ihn drei Tage Don, mache mehrere Mafia-Witze und raffe erst am Ende der Reise, dass er Dominik heißt) erläutert im Vorhinein sehr detailliert, was man so alles sehen kann und macht die dazugehörigen Taucher-Handzeichen, ich finde alles äußerst amüsant. Dann gehts ins Wasser.

Ich war vorher erst ein einziges Mal schnorcheln -  auf Gili Meno. Da habe ich schnell Angst bekommen vor der unbekannten Tiefe und was darin lauern könnte. Ich bin mir daher nicht so sicher, ob ich das Schnorcheln hier - drei Mal am Tag ! - genießen werde. Aber einen Versuch ist's wert. Wir Schnorchler werden allein in der Nähe einer Insel abgesetzt. Trotz eindringlicher Bitten vorher, mich nicht allein zu lassen, ist Timo schnell meterweise weg ("oh kuck mal was für'n cooler Fisch") ich seufze auf und paddele missmutig hinterher. Und dann passiert es: Direkt auf der Wasseroberfläche - also da wo mich im wahrsten Sinne des Wortes "rumtreibe" - kommt ein Schwarm Fische zielstrebig auf mich zu. Es sind Hunderte, silbrig glänzende etwa 50 cm lange Fische und sie sehen aus wie Schwertfische. Ich denke nur "Oh Gott - Schwertfische!" und gerate in Panik, kann aber nirgenswohin. Ich schwimme ungefähr mit der Geschwindigkeit einer 85-jährigen, die vor hat den ganzen Tag  zu brauchen, um das Schwimmbecken zu umrunden. Meine Phantasie geht mit mir durch und ich sehe schon die Schlagzeile "Deutsche Touristin von Schwertfirschschwarm aufgespießt" vor meinem geistigen Auge. Also schließe ich lieber die Augen anstatt meinem nahen Tod ins Auge zu sehen und es passiert....nix. Ich öffne die Augen, die "Schwertfische" sind weg. Dann ruft Timo "Achtung Qualle" und da reichts mir, ich will erstmal auf die Insel. Dazu muss ich aber über durchs immer flacher werdende Wasser über Korallen, Seeigel und potentielle Quallen schwimmen - auch nicht meine Lieblingsübung wie ich auf Gili Meno festgestellt habe. Geschafft, Timo trottet hinterher und wir streifen durchs hohe Gras als er bedenken wegen eventuell vorkommender Schlangen auf dieser unbewohnten Insel aufwirft. Frustriert stolpere ich wieder ins Wasser und lasse mich vom Beiboot abholen. Die restliche Zeit bis die anderen wiederkommen verbringe ich mit sonnen und lesen.
Sobald die Tauchmaster wieder da sind darf ich mich kollektiv dafür auslachen lassen, dass ich mich vor einer Horde Nadelfische erschreckt habe und ich beschließe, dass ich einen Schnorchelmaster brauche, der mir sagt welche von den unheimlichen Fischen gefährlich sind und welche nicht.

Dann gehts aber erstmal zu den Komodowaranen. Die größte fleischfressende lebende Echse wird bis zu drei Meter lang und wiegt 70 Kilo, manchmal auch mehr. Sie sind ein Überbleibsel aus der Dinosaurierzeit und so sehen sie auch aus.  
Eingang zum Komodo-Park auf Rinca
Die Komodo Drachen können schneller rennen, klettern und schwimmen als wir, außerdem fressen sie nur ein Mal im Monat, dann aber gern eine Menge bis zum Doppelten ihres eigenen Körpergewichts. So eine kleine Theresa ist also höchstens ein kleiner Snack zwischendurch. Man darf die Inseln, auf denen die Komodowarane leben daher auch nur in Begleitung eines Führers betreten und muss als Frau vorher angeben, ob man seine Tage hat - darauf fahren die Warane nämlich extrem ab (zum Fressen, nicht als sexuelle Vorliebe^^). Die Männer in unseres Besuchstruppe sind ganz aus dem Häuschen. Ich gehe lieber hinter der waghalsigen Gruppe und möglichst so weit wie möglich weg von den Waranen. Unser Führer ist ein dürres, junges Bürschchen mit einem Holzstock. Er erklärt, dass er damit den Waran im Ernstfall in den Hals pokt - anscheinend die Achillesferse des Komdowarans. Mir wäre es trotzdem lieber er hätte eine Knarre dabei. Insbesondere als wir an einer Stelle an einem ganzen Haufen von Waranen (etwa sieben ausgewachsene Tiere) vorbeikommen und nur zwei Führer anwesend sind, bin ich ob der Stockverteigigungstechnik eher skeptisch. Die Jungs müssen aber unbedingt Fotos mit (!) den Waranen schießen bis sich einer auf uns zubewegt und ich nervös werde. Da beschließen sogar die Jungs, dass wir lieber weitergehen wollen. Die kleinen, frisch geschlüpften Warane verstecken sich in den Bäumen vor ihren Eltern, die sie sonst fressen (!). Das wirft bei mir die Frage auf, ob die niedlichen Kleinen sich vielleicht von oben auf einen stürzen um einen Haps aus einer Schulter zu nehmen. Aber der Führer versichert mir, das würde quasi nie passieren und der letzte Mensch sei in den 80igern von den Komodowaranen gefressen worden und da weiß man es auch nicht sicher, denn er ist einfach verschwunden. (Ich bin mir sicher die Drachen haben damit zu tun.) Leider kann man die kleinen Warane, die bestimmt süß und völlig unschuldig aussehen, auch nicht in den Bäumen sehen, denn sie verstecken sich gut. Nach einem kurzen Rundgang über die Insel bin ich froh wieder auf dem Boot zu sein und in den nächsten Tagen erstmal überwiegend planktonfressenden Fischen zu begegnen.
ein Komodowaran aus nächster Nähe
Von den Flughunden sehen wir dann leider nur noch einzelne, da wir am Mangrovenhain zu spät ankommen und alle schon weg sind. Aber so schlimm ist das auch wieder nicht - es ist eine schöne Bootsfahrt bei Sonnenuntergang. Der Abend endet mit einem Hitzeschlag meinerseits, nachdem ich die wahnsinnige Idee hatte ein halbes Glas Rotwein zu trinken während die anderen beim Nachttauchen sind. Hier lerne die das japanische Iso-Getränk Pocari Sweat lieben, dass Dom anerkennungsvoll Bacardi Sweat nennt und nach dessen "Genuss" es mir schlagartig besser geht. Friedlich schlafe ich auf den sanften Wogen des Meeres ein. Nachts wird unser Boot leider von den starken Strömungen trotz Anker abgetrieben, was bedeutet, dass der wahnsinnig laute Motor angeworfen werden muss. Naja, ein Boot ist nun mal kein Haus.


Am nächsten Tag gehts wieder ans Schnorcheln. Der schweitzer Tauchlehrer Jonas wird zu meinem persönlichen Schnorchelmaster abgeordert und ich versichere mich in der Taucheinweisung bei Dom, welche menschenfressenden Fische es am nächsten Schnorchelpunkt so gibt - keine. Wir tauchen in Manta Point 2 - wir wollen Mantarochen sehen. Die können fünf bis neun Meter lang werden, fressen aber nur Plankton (ich habe nachgefragt). Im Wasser warten Jonas, Timo und ich an einer Art Unterwasserschlucht auf die Mantas, die hier angeblich immer langschwimmen. Wir warten und warten. Jonas zeigt mir tolle Fische: Boxfish, Lionfish und Nemo. Außerdem sehen wir riesige Schildkröten und eine Menge Fische, deren Handzeichen mir Rätsel aufgeben und deren Namen ich nicht kenne. Wir wollen grade gehen als Jonas aufgeregt mit seinem Metallding unterwasser rumklappert und energisch in eine Richtung zeigt. Und da ist er: Ein Mantarochen und er kommt direkt in unsere Richtung. Eine kleine Sekunde lang habe ich Panik, die dann einem überwältigenden Gefühl von Erstaunen und Bewunderung weicht. Was für ein schönes, elegantes, riesengroßes Tier! Der Manta gleitete direkt unter uns durch, die Zeit scheint still zu stehen während wir uns den Manta von oben in aller Ruhe anschauen können. Dann ist er weg und Jonas reißt seine Maske vom Kopf und ruft aus: " Mann, habt ihr ein Schwein!". Naja ich bin eben effizient. ;) Wir schnorcheln etwas hin und her und ich will dann kurz einen Blick auf den rosa Strand werfen, vor dem wir rumschnorcheln. Diesmal keine Korallen, sondern Sandstrand. Halleluja. Aus der Nähe ist der Strand aber komischerweise weniger rosa also von weitem. Ich stecke meine Zehen in den leichtrosa Sand - es könnte uns schlechter gehen. Und dann gehts aufs Boot. Schnorcheln hat sich an diesem Tag ausgezahlt - die meisten Taucher haben nämlich keinen Manta gesehen. Und ich bin jetzt angefixt.

Kaum haben wir was gegessen gehts auch schon zum nächsten "Tauchgang". Köpfchen ins Wasser, Ärschchen in die Höh'. Wir schnorcheln an Batu Balong, einem der bekanntesten Tauchorte der Welt. Es ist absolut faszinierend: Batu Balong, ist ein großer Fels, der aus dem Wasser ragt und in der Mitte ein Loch hat - wie ein Nadelende mit Nadelöhr. Unter Wasser wird der Fels zwar langsam breiter, aber es gibt eine lange, korallenbewachsene Felswand zu sehen mit allem was die Unterwasserwelt so hergibt. Es ist als ob man in einem Unterwasserzoo wäre - pulsierende Korallen in allen Formen und Farben, tausende verschiedene Fische und Fischschwärme, die sich an unserer Anwesenheit auch überhaupt nicht zu stören scheinen, blaue kopfgroße Seesterne, unicorn fish, lion fish, box fish, needle fish, nudi branch, moränen, clown fish und sogar kleinere Haie (black tip und white tip). Ich habe mich natürlich vorher informiert, ob diese Haie gern mal an Menschen naschen und wurde darüber informiert, dass Haie generell nicht gern Mensch fressen und höchstens aus Versehen mal zubeißen (bei Surfern, weil sie denken es sind Robben). Krokodile hingegen fressen gern Menschen (eine Info die später auf der Reise noch relevant werden soll). Auf meine Frage, ob die Haie vielleicht zubeißen, wenn sie sich bedroht fühlen, meint Dom "vielleicht wenn du sie am Schwanz packst und rumwedelst". Allgemeines Gelächter. Schon jetzt ist jedem auf dem Boot klar, dass ich die letzte Person auf der Welt bin, die einen Hai - sei er auch noch so klein - am Schwanz packen würde. Aber zum ersten Mal verstehe ich, was Leute am tauchen finden und bin ein bisschen traurig, weil die Taucher heute minikleine Seepferdchen gesehen haben. Aber immerhin ist direkt neben mir eine Schildkröte aufgetaucht um Luft zu holen und ich bin ihr danach eine ganze Weile in nächster Nähe gemütlich hinterher geschwommen.
Felswand von Batu Balong
Später am Tag wird es dann nochmal aufregend - der für uns letzte Schnorchelgang des Tages ist ein "Drift". Das bedeutet, man wird in eine Strömung rein geschmissen und hat keine Chance dagegen anzuschwimmen, man wird mitgerissen. Man schwimmt dann in der Strömung zickzack, um so viel wie möglich zu sehen. Timo und ich sind diesmal allein und versuchen händchenhaltend irgendwie zickzack zu schwimmen, aber es bringt nix und mir schlägt das Herz bis zum Hals. Am Ende der Strömung wartet zwar angeblich das Beiboot, aber es ist kein schönes Gefühl der Natur so ausgeliefert zu sein - mitten im Ozean zwischen unbewohnten Inseln. Nach zehn Minuten sind wir die ganze Strecke entlang getrieben und werden vom Boot wieder aufgesammelt, versuchen es aber gleich nochmal. Ich hab vor lauter Stress kaum was gesehen, auch beim zweiten Mal nicht, leider auch keine Mantas, die hier aber wohl sowieso zu tief für uns Schnorchler schwimmen.

Am letzten Tag werden wir zwei Schnorchler zum wandern auf einer Insel abgesetzt, deren Natur an Neuseeland erinnert - grüne, sanfte Hügel.






Nach etwa einer Stunde schwimmt Timo zum Schiff, um das Boot zu holen und ich vertreibe mir die Zeit mit Müllaufsammeln - in 15 Minuten habe ich einen ganzen Sack voll Plastikmüll gesammelt. Ich verstehe die Menschen einfach nicht, die hier ihren Müll hinschmeißen. Dann wird mir aber klar, dass vieles davon auch angespült sein wird. Indonesien muss schnell eine Lösung für das Müllproblem finden, sonst wird bald auch der Tourismus drunter leiden.


Dann geht es zu einem letzten Schnorchelgang mit Jonas, und der Tauchort wird "the barrel" genannt. Es ist ein zylindrisches Loch, in das die Taucher rein schwimmen, weil es dort vor Haien nur so wimmelt (ja wirklich "weil", nicht "obwohl"). Wir werden von der Strömung darüber hinweg gezogen, erhaschen nur einen kurzen Blick auf das Loch voller Blacktip und Whitetip Haie und anderer Fische ("the fishtank") und schauen uns auf der anderen Seite die Felswand an. Es ist ein Korallenriff wie eine Blumenwiese, mit einem Korallenwald und Korallen die aussehen wie Pilze und abermals tausend bunten Fischen inklusive dem gefährlichen Trigger-fish (der Timo auf dem Kieker hat). Jonas macht Freediving und zeigt uns nochmal besondere Tiere, die wir bisher noch nicht gesehen haben, schnippt Korallen an, die sich dann schnell zusammenziehen und warnt vor dem Triggerfish (Timo passt aber wieder nicht auf). Dann werden wir vom Tagesboot abgeholt und verabschieden uns wehmütig von Dom und Jonas, von den Tauchern und der restlichen Crew. Wir wären gerne noch länger geblieben. Auf dem Tagesboot machen wir einen letzten Drift-Schnorchelgang und diesmal lasse ich mich einfach treiben, dann ist es auch ganz angenehm. Ich trage eine grellorangene Rettungsweste, damit kann man mich sowieso nicht verlieren und eine Chance gegen die Strömung zu schwimmen habe ich damit eh nicht. Ich folge ein letztes Mal eine Weile einer großen Schildkröte hinterher und dann ist das Schnorchelabenteuer auch schon zu Ende.

Zurück in Labuan Bajo versuchen wir den Rest unserer Reise zu planen, wir haben noch etwas mehr als einen Monat. Wir müssen uns eingestehen, dass unser Plan nicht funktioniert - für China haben wir keine Zeit, ebensowenig für Borneo. Auch Sumba und die Alor-Inseln lassen wir aus, bleiben noch der Rest von Flores, Sulawesi oder Papua, die Molukken und natürlich Timor Leste. Indonesien ist wie das moderne Leben - es gibt zu viele Optionen und alle hören sich gut an und es fällt uns schwer uns zu entscheiden. In zwei Wochen müssen wir das Land verlassen haben, da Timos Visum ausläuft, bis dahin müssen wir also in Timor Leste sein. Auf geht's!








Hotel in Labuan Bajo: The Lounge
Tauchcenter: Komodo Dive Center




Montag, 10. August 2015

Indonesien 7 - Sumbawa: Sumbawa Superstar

16:00 Uhr, Bima, Sumbawa, die Frisur hält. Aber da gibts auch nicht viel zu halten, wenn man ehrlich ist. Dafür gibt es bereits auf der Flugzeugtreppe die ersten Probleme mit dem Verhüllen, da der Wind mein Tuch weg bläst. Sumbawa soll sehr konservativ muslimisch sein und der erste Eindruck bestätigt das - fast alle Frauen tragen hier Kopftuch und im Flugzeug saß sogar eine Frau mit Burka. Der erste Eindruck bestätigt ebenfalls, dass diese Insel kaum touristisch genutzt wird. Sumbawa ist zwar groß, aber die Touribusse heizen hier nur schnell durch, um nach Flores zu gelangen. Weder unser Reiseführer noch das Internet geben viel an Informationen über die Insel her; das ist ein Ausflug ins Ungewisse. 







Vom Flugzeug aus haben wir nur Berge und Wald gesehen, kaum Dörfer geschweige denn Straßen. Entsprechend der Unbekanntheit dieser Insel ist der Flughafen miniklein: 1 Häuschen, 1 Runway, 1 Gate und 1 minikleines Gepäckband mit Plastikbäumen als Deko. Als das Gepäckband zu rollen beginnt, erscheint als erstes eine riesige 20 Liter Flasche Limonade auf dem Band. Da hat sich jemand ja was vorgenommen.


Nach langem hin und her entscheiden wir uns ein Taxi nach Bima zu nehmen. Lakey Peak, ein Surferort, ist ein bisschen in Richtung Westen (also nicht unsere Richtung), außerdem kostet das Taxi dorthin 700.000 Rupiah (ca. 47 Euro) und man kann dort nix tun außer Surfen soweit wir wissen, und das auch nur als Profis (also nicht wir). Das Taxi nach Bima ist auch nicht grade billig für die kurze Strecke - 100.000 Rupiah (6 Euro etwa). Aber eine Wahl haben wir anscheinend nicht, es gibt weder Bemos noch Busse. Auf dem Weg in die Stadt hat man einen tollen Blick auf die Bucht in der Bima liegt und auf den Vulkan Tambora, der 1815 durch den gewaltigsten Ausbruch seit ca. 27.000 Jahren das Wetter der ganzen Welt verändert hat ("das Jahr ohne Sommer").








Bima hat fünf Hotels, wie uns auch der Taxifahrer bestätigt. Zwei sind furchtbar teuer für indonesische Verhältnisse (400.000 Rupiah und mehr) und eins davon ist außerhalb der Stadt, also versuchen wir es zunächst mit den drei günstigen in der Stadt. Die sind allerdings mehr als furchtbar - das eine, obwohl neu, stinkt zum Himmel und das andere lehnen wir nach folgender kurzer Konversation dankend ab: 
Timo: "Hot shower?" - "No shower". 
Timo: "Cold shower?"- "No shower". Stirnrunzeln. Blick ins Bad: Keine Dusche. Nur so eine Schöpfkelle für die Toilette genannt "mansy"). Nein danke. Terimah kasih und dada (indoensisch für "byebye"). Das dritte günstige Hotel hat kein Zimmer frei. 
Also ab ins teure "Marina Hotel". Und erstmal was essen. Im Hotel sagt man uns es gibt unweit vom Hotel einen traditionellen Markt. Also tappen wir im Dunkeln durch diese Stadt, denn es ist grade Stromausfall. Aber den Markt finden wir nach etwa fünf Minuten gemäß der Beschreibung nahe des KFC (!) und in der Nähe des Sultanspalastes. Hier gibt es das übliche nasi goreng, ayam goreng, tempura, gado gado und vieles mehr zu sehr günstigen Preisen. Nur andere Touristen, die gibt es (entgegen der Behauptung einer Frau mit der wir uns beim Abendessen unterhalten) hier nicht. 

Zurück im Hotel sind wir immer noch ratlos, was man hier tun kann. Irgendwas muss es ja hier anzuschauen geben! Das Hotelpersonal ist insofern nicht besonders hilfsbereit, es zuckt nur mit den Schultern. Unser Taxifahrer Amir hingegen zählt auf: Den Sultanspalast, zwei Strände (Colour (?)Beach und Lawata Beach) und einen dritten "Strand" mit Fressbüdchen an dem wir auf dem Weg vom Flughafen vorbei gekommen sind. Außerem sagt er noch "weaving" und "traditional houses". Als ich frage wo man Webkunst oder traditionellle Häuser sehen kann, hat er dafür allerdings keine Antwort.


Also geht es am nächsten Morgen erstmal zum Sultanspalast, der ist ja um die Ecke. Noch bevor wir das Gebäude betreten haben erfahren wir, wie es sich anfühlen muss ein Superstar zu sein. Bei unserem Anblick brechen etwa 15 junge Schulmädchen in weißen Kopftüchern mit roten Plastikblumenkränzen auf dem Kopf (was auch immer das bedeutet) in hysterisches Kreischen aus und rennen uns entgegen. Das uns hier jeder mit "hallo mister", "hallo miss", ganz cool "hey guys"  oder einfach "welcome" anspricht kennen wir schon von anderen Inseln, nirgendwo ist es allerdings so extrem wie hier. Schon auf dem Weg zum Sultanspalast haben wir mehrerer Hände geschüttelt und uns ein paar Mal erklären müssen wie es uns geht, wo wir herkommen und wo wir hin wollen. Jetzt schreien 15 Mädchen gleichzeitig "how are you", "where are you from" und wieder "how are you". Geduldig beantworten wir die Fragen der netten Mädels, die augenscheinlich völlig aus dem Häuschen sind, das es Touristen in Bima gibt, und sind die nächsten zwanzig Minuten mit etwas beschäftigt, was man in der Modebranche als "Fototermin" bezeichnen würde und wofür man dort eine Stange Geld erhalten würde. Nachdem mehrere Fotos von uns mit der Gruppe in unterschiedlichen Konstellationen, einzelnen Mädels mit uns oder uns einzeln, paarweise mit uns und schließlich ein Foto nur von uns als Pärchen geschossen wurde, "erlöst" uns die Museumswärterin und führt uns zum Eingang des "Palastes".

Der Eintritt kostet 3000 Rupiah pro Person, etwa 25 cent. Der "Palast" ist ein heruntergekommenes Haus, erbaut erst 1927 und recht europäisch aussehend.
Die übereifrige und extrem freundliche Museumswärterin führt uns in gebrochenem Englisch durch die Räume und gibt mit militärischer Bestimmtheit  zu jedem einzelnen Gegestand eine Erklärung ab. Wir verstehen höchstens jedes zweite Wort, nicken aber nach jeder vorgebrachten Erklärung bedeutungsvoll und sagen respektvoll "ah" oder "oh". Mit uns turnt auch die kleine Tochter der Museumswärterin durch das Museum, die anscheinend gern Modell steht, denn sie möchte, dass man vor jeder "Sehenswürdigkeit" ein Foto von ihr schießt. Die Möbel sehen aus wie die, die ihr von eurer Oma geerbt habt, denn der Sultan hatte offensichtlich einen Faible für westliche Einrichtungsgegenstände - er hatte sogar eine westliche Toilette. Darüber hinaus gibt es eine Menge Karaffen, Schachteln für Betelnüsse und kurze und lange Schwerter zu sehen, außerdem verblichene Fotos vom letzten Sultan und seiner Familie und irgendeinem Japaner, dessen Bedeutung wir nicht verstanden haben. Wirklich interessant finden wir nur die handgeschriebene Auflistung der Alphabete der verschiedenen Sprachen Indonesiens, wohl von Thomas Stamford Raffles persönlich verfasst, dem Gründer der Stadt Singapur, dem wir zuerst in Georgetown (Penang), Malaysia "über den Weg gelaufen" sind. Dieser englische Marco Polo war echt überall! Die Museumswärterin hat auch eine Antwort darauf, wo es traditionelle Häuser zu sehen gibt: In Uma Lengge und Wawo.  Wir bedanken uns und brechen auf.
In der Straße die zum Palast führt gibt es einen schockierend hippen Klamottenladen namens "log.in" für Männer, in dem Timo sich vier coole T-shirts kauft, jedes für weniger als 10 Euro.

Wenn ich mit einem nicht gerechnet hatte, dann damit, dass wir in Bima shoppen würden. Wir können uns die Existenz dieses Ladens in dieser Stadt, in der es sonst nichts gibt, sogar nur wenige Restaurants, auch wirklich nicht erklären. Vielleicht hängt es damit zusammen dass Bima eine Universitätsstadt ist? Vor dem Laden fallen mir dann auch ein paar Mädels auf, die extra cool in boyfriend jeans und mit Cappie und natürlich ohne Kopftuch rumlaufen. Also doch nicht alles so streng hier. 
Im Hotel gibt man uns Auskunft, dass es einen Bus nach Wawo gäbe. Ein Moped zu mieten, wird uns mitgeteilt, ist nicht möglich. Wir wollen aber doch auf eigene Faust etwas die Gegend erkunden! Frustiert laufen wir zum Busbahnhof und fragen zwischendurch wahllos Leute, wo man ein Moped mieten kann. Alle schütteln mit dem Kopf. Im Honda-Moped-Laden werden wir ausgelacht. "Only buy". Ja, nee. Am Busbahnhof erfahren wir das der nächste Bus erst um 4 fährt, also in zweieinhalb Stunden. Als wir unseren Taxifahrer-Freund Amir anrufen sagt er es kostet 300.000 Rupiah hin und zurück und ist zu Verhandlungen auch nicht bereit. Das ist uns zu teuer, denn das Dorf liegt nur etwa 15 km entfernt. Wir wollen schon aufgeben, als wir einen netten Busunternehmer treffen, der uns anbietet uns das Moped seiner Schwester zu vermieten. Gegen einen Führerschein als Pfand und 125.000 Rupiah, also acht Euro und recht viel für ein Moped (ungefährt drei mal so viel wie sonst) nehmen wir dankend an und holen gemeinsam mit unserem neuen Freund die steinalte Hondamühle am Haus der Schwester ab. Hierzu dringen wir tief in ein Wohngebiet ein, komplett mit kleinen Lädchen und Friedhof. Jetzt geht die Begeisterungswelle ob unserer Ankunft erst richtig los: Alle scheinen draußen auf der Straße zu sitzen und jeder sagt uns "hallo" und "hey miss", zeigen uns den Daumen hoch oder wollen, dass wir ein Foto von ihnen machen und ihnen high five geben. Fehlt eigentlich nur eine Laola Welle. Wir fühlen uns wie Staatsbesuch. Wer jetzt denkt wir könnten nicht noch mehr Aufmerksamkeit erregen, der hat sich geirrt: Zu zweit auf dem Moped sind wir die Sensation schlechthin und am Straßenrand, auf Mopeds und in Autos drehen sich viele Köpfe nach uns um, winken uns viele Hände zu, hupen uns viele Hupen an. 





Um nach Uma Lengge zu gelangen müssen wir eigentlich nur einer großen Hauptstraße folgen, aber wir nehmen eine Abzweigung durch ein kleines Dorf und sehen hier schon die ersten traditionellen Häuser.









Die Holzhäuser stehen auf etwa 1,5m hohen Stelzen und sind durch eine Leiter mit dem Boden verbunden. Der Bereich unter den Häusern ist durch am Hausboden befestigte aber nicht im Erdboden befestigte Latten vor Blicken geschützt - wozu wissen wir nicht. Uma Lenggue hätten wir ohne unsere MapsMe App niemals gefunden und als wir da sind sind wir ein bisschen enttäuscht - das Dorf ist nicht mehr bewohnt, die hier sehr kleinen Häuschen sind verfallen und stehen einsam auf einem Hügel, der über vertrocknete Reisfeldern thront.







Aber wir fahren einfach die etwa anderthalb Kilometer weiter nach Wawo, wo wir viele bunte Holzhäuser und buntes, fröhliches Dorftreiben vorfinden. Und auch die Landschaft ist hier malerisch - dichtbewaldete, dunkelgrüne Berge im Hintergrund und Reisfelder säumen die Dörfer. Jede Menge störrsche Rinder (die den Weg versperren) und wild aussehende Ziegen gibt es neben unzähligen schwarzen Hühnern ebenfalls. Auch ein paar Katzen sehen wir, aber komischerweise keine Hunde. Wir schleichen auf unserem Moped durchs Dorf und schießen unzählige Fotos bevor wir uns auf den Rückweg machen.
















Zurück in Bima machen wir noch einen kurzen Abstecher nach Amahami Beach, wo wir gemeinsam mit der kirchernden Stadtjugend den beginnenden Sonnenuntergang hinter Gunung Tamboro bei einem Saft genießen. Alkohol gibt es in Sumbawa wohl wegen des strengmuslimischen Glaubens nicht. 


Auch auf unserer dritten Fahrt durch das Wohngebiet werden wir wieder nahezu bejubelt. Als wir das Moped bei seiner Besitzerin abgeben, verschwindet die erstmal weil gerade der Muezzinruf ertönt. Unser Freund organisiert uns noch eine Busfahrt nach Sape mit Abholung am nächsten Morgen um fünf Uhr früh für nur 30.000 Rupiah. Wir haben eigentlich wenig Lust so früh aufzustehen, aber wenn wir die Fähre nach Labuanbajo, Flores erwischen wollen, haben wir leider keine Wahl.
Am nächsten Morgen um 4:45 Uhr sind wir erstaunlicherweise zu viert im Hotelfahrstuhl. Die anderen beiden Herren sind auf dem Weg zur Moschee. Ich bin fassungslos und kann Gesichtsentgleisungen nur schwer verhindern,  dass Leute tatsächlich freiwillig so früh aufstehen, um beten zu gehen. Bisher war es immer mein Eindruck, dass vom Gesang des Muezzins nur die nicht den Morgenruf gewöhnten Touris aufwachen und alle Einheimischen einfach weiterschlafen. Der Bus ist erstaunlich pünktlich und wir steigen schlaftrunken ein. Wir freuen uns gerade wie gut doch alles geklappthat als der Bus zurück in den Busbahnhof einbiegt- und dort eine hable Stunde bei laufendem Motor stehen bleibt. Ich würd mich ja gern aufregen, aber ich bin zu müde. Frustriert nibblen wir an unserem Frühstück - etwas das im Laden aussah wie eine Nusschnecke, tatsächlich geschmacklich aber nur entfernt und mit viel Phantasie daran erinnert - während uns die Abgase des laufenden Busses ins Gesicht blasen. Bis wir die Stadtgrenzen von Bima hinter uns lassen wird es sechs Uhr morgens. Aber der Nebel über den waldigen Hängen Sumbawas und das neue Florence + the Maschine Album bessern bald meine Laune. Am Straßnrand stehen und laufen kleine Schuljungs in rotbraunen Schuluniformen und Gruppen von Mädchen (ebenfalls in Uniformen) und interesanterweise ohne Kopftuch auf dem Weg zur Schule. Und bald schon wippe ich zu "Whistle" von Sporto Kantes auf meinem Sitz und beneide die Leute, die hinten auf den Pickups drauf sitzen und an uns vorbeirasen. Auf nach Flores!

Anmerkung: Wenn man Uma Lengge googelt kriegt man total tolle Bilder von tollen Häusern (keine Ruinen). Eventuell waren wir also auch nicht dort wo man hin "soll"?


Unterkunft: Marina Hotel


Fahrer: Amir, Tel. 0062-(0)852-39758905



Netter Busunternehmer: Am Busbahnhof der Laden links neben dem Laden der Handyguthaben vertickt

Sporto Kantes/Whistle: