Die
Busfahrt von Kupang nach Dili beginnt mal wieder damit, dass wir um
präzise 4:55 Uhr vorm Hotel auf den Bus warten, der (wie sollte es
anders sein) 20 Minuten zu spät ist und uns auch erstmal nur zum
Busunternehmen bringt, wo wir eine Stunde auf die Abfahrt warten. Drei
Stunden später sitzen wir im Bus und die ersten Timoresen steigen zu: Ein irre lachender Opa
setzt sich neben mich und unterhält, pardon "unterschreit" sich
permanent mit der ebenfalls irre lachenden Oma hinter Timo. Beide reden in einer Mischung aus Bahasia und
Portugiesisch (genannt Tetum) auch auf uns ein. Ich verstehe nichts. Einer unsere Sitze ist kaputt und wir
rempeln die Frau hinter uns damit immer an. Die sieht das anfangs
locker, aber mit den Stunden verstreicht auch ihre Geduld immer mehr. Und wir haben noch nichtmal die
Hälfte der Busfahrt hinter uns...
Immerhin schlängelt sich der Bus fortwährend kurvige Bergstraßen hoch und runter. An einem steilen Berg bleibt der Bus plötzlich stehen. Der Motor quietscht und ächzt und ich fürchte schon, des Busses letztes Stündchen hat geschlagen. Aber er fährt. Langsam, aber er fährt. Insgesamt unendlich lange 12 Stunden dauert die Klapperfahrt von Kupang nach Dili, inklusive passieren des
Grenzüberganges.
Gegen halb drei sind wir an der
Grenze und überzeugen auch hier den diensthabenden Grenzbeamten davon,
dass wir
seit Ende Mai nicht mehr für ein Visum zahlen müssen und auch keinen
"authorization letter" mehr brauchen.
Ich glaube es ist das erste Mal in
meinem Leben, dass ich sage "we are european citizens" ("wir sind
europäische Staatsbürger"). Hinter dem Beamten hängt eine Karte der
Europäischen Union und ein Kollege und er scheinen länger darüber zu
diskutieren, ob Deutschland nun zur EU gehört oder nicht (wir schmunzeln) - ein Aufdruck
auf dem Pass in Englisch wäre wirklich sinnvoll. Schließlich kommen sie
zu dem Ergebnis, dass wir die Wahrheit sagen. Ja wir sind europäische
Staatsbürger und heute freuen wir uns so richtig darüber. Macht ja alles
immer noch ein bisschen mehr Spaß, wenn man dabei auch noch Geld spart.
Kurz hinter
der Grenze gibt es eine erneute Kontrolle von finster blickenden
Militärpolizisten, die sich sehr interessiert unsere vielen Stempel im
Pass anschauen. Und wir sind drin. Wir sind in Timor Leste!
Auf
dem Weg nach Dili begegnet uns kaum ein anderes Auto, allein drei LKWs
zähle ich. Aus Gras geflochtene Girlanden und Herzen säumen den
Straßenrand. Später werde ich erfahren, dass dies eine alte timoresische
Tradition ist, um Gäste willkommen zu heißen. Die Straße führt durch
viele Dörfer, in den meisten davon sieht man überwiegend einfache
Basthütten, mit sehr niedrigen Eingängen und Schweine, Kühe, Ziegen zu
hauf. Die Höfe sind sehr ordentlich und oft von vielen bunten
Blumenkübeln gesäumt und an den Hütten hängen viele FC Barcelona Fahnen. Barca
scheint hier beliebt zu sein. Fußballtechnisch hat das mit der Kolonialisierung wohl nicht so geklappt, Portugal. Timor Leste ist ein sehr junges Land - wir beobachten
viele Kinder und Jugendliche, die sich am Straßenrand die Zeit
vertreiben. Linker Hand erstreckt sich das glitzernde
Meer und wir tuckern vorbei an süßen kleinen Essensständen, vorbei an
Mangrovenhainen und vorbei an vielen kleinen Holz Kanus - solche die
aussehen wie aus Robinson Crueso oder einem Dokumentarfilm. Die Mehrheit
der Menschen scheint hier sehr einfach zu leben.
Die Hauptstadt Dili
ist eine schöne Hafenstadt, noch sehr herunter gekommen, aber längst
nicht so wie ich mir das vorgestellt habe. Es gibt jede Menge Hotels
und auch ATMs und unser Hostel hat sogar Wifi (jedenfalls theoretisch).
An der Wasserkante liegt ein Park, der Freiheitspark, der mit jungen
Pärchen und Gruppen von unbeschwert aussehenden
Teenagern
gefüllt ist.
Ich sehe Smartphones und Laptops, auch die technische Entwicklung hat es
bis hierher geschafft. Gibt es irgendwo auf der Welt noch einen Ort
ohne Internet? Junge Männer verkaufen Bananen und Orangen, die
an Fäden von einem Stock hängen, den sie sich über die Schulter gelegt
haben - ein krasser Kontrast. Manche sprechen mich in der Landessprache Tetum an - die ich natürlich nicht spreche. Mit
Portugiesisch und Bahasia soll man ganz gut durchkommen aber von beidem
spreche ich leider nur Brocken. Angeblich spricht
hier niemand Englisch, na das werden wir ja sehen. Die Auswahl im Supermarkt ist überraschend groß, leider ist alles relativ teuer. Der Supermarkt verkauft sogar Müsli - seit Bali haben wir keines mehr gesehen - und daneben noch
einiges anderes was wir hier, am Ende der Welt, nicht erwartet hatten.
Ich kaufe ein
paar Kartoffeln - wir wollen im Hostel kochen - das erste Mal seit fast
drei Monaten! Abends stelle ich dann fest, dass ich Süßkartoffeln
gekauft habe (und ich dachte mir noch "die sehen aber komisch aus") - aber die kann man auch braten und am Ende schmecken sie
gar nicht so schlecht. Wir nehmen uns einen Tag zum erholen und planen
unsere restliche Reise durch um Flüge zu buchen.
Will man Indonesien bereisen ohne ständig in den Flieger zu steigen, braucht man sehr viel mehr Zeit als wir haben. In Timor
Leste gibt es allerdings keine Inlandsflüge. Ansonste gibt es hier wirklich alles! Von wegen kein Internet, keine Hotels,
keine Geldautomaten. Das war mal. Um die Ecke vom Hostal gibt es sogar
einen grandiosen Thailänder, der uns an den Beginn unserer Reise
erinnert.


Am nächsten Tag setzen wir dann zum Sightseeing an. Als
erstes steht Arte Morris auf unserer Liste, eine kostenlose
Kunstschule,
in der man die Kunstwerke der Schüler kostenlos besichtigen kann. In
einem so jungen Land mit einer so blutigen Vergangenheit finden wir das
besonders spannend. Das Gelände gleicht eher einer Müllhalde, erst auf
den zweiten Blick sieht man, dass die Schüler hier aus allem was sie
finden konnten Kunst gemacht haben - Statuen aus
Autoteilen, Figuren aus
Autoreifen, aus Flaschen, aus Dosen - aus allem eben. In den Gebäuden,
die etwas verlassen aussehen mit ihren eingeschlagenen Fenstern und dem Laub
auf dem Fußboden, finden sich erstaunlich gute Gemälde und andere
Kunstwerke - alles hervorragende zeitgenössische Kunst. Die Not ist eben ein Katalysator der Kunst.

Dann widmen wir uns der Geschichte Timor Lestes und besuchen das brandneu aussehende Resistance Museum. Mit vielen Fotos, Berichten von Zeitzeugen und sogar Originalvideos von Massakern ist hier der jahrzehntelange blutige Freiheitskampf Timors dargestellt. Vor allem das Massaker von Santa Cruz aus dem Jahr 1991 schockiert mich.

Auf dem Weg
zum nächsten Museum treffen wir dann auf eine Gruppe fröhlicher, neugieriger
Bauarbeiter, die alle astreines Englisch sprechen, deutschen Fußball
mögen und überhaupt sehr froh sind uns zu treffen. Von wegen die
sprechen hier kein Englisch!

Nach
all diesen Stories wollen wir natürlich auch einen Blick auf den
Friedhof Santa Cruz werfen, auf dem das Massaker passiert ist. Der
Friedhof ist völlig vollgestopft mit traditionell portugiesischen
Kachelgräbern, man kommt kaum durch und zwängt sich an den unzähligen
Grabsteinen
vorbei. Teilweise sind in den Grabsteinen Löcher zu sehen.
Viele Gräber datieren von dem Massaker. Grotesk. "Hier gestorben und
begraben", hätte man drauf schreiben können. Wir wollten eigentlich das
Grab eines

Unabhängigkeitskämpfers besuchen, mehr um zu sehen, ob sich
da heute noch jemand drum kümmert, aber wir finden es nicht.
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Christo Rei |

Auf dem Lastwagen mit Frankie (rechts unten) |
Unterkunft: Dili Backpackers
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